Das konstruktive (“goldene“) Schweigen – es dient dazu, in einer Gesprächssituation der inneren Verarbeitung Raum zu geben, etwas Gesagtem ›nach-zu-fühlen‹, um
es nicht vorschnell in weiteren Worten wieder zu verlieren, und damit seine emotionale Bedeutungs-entwicklung zu verhindern. Der Übergang von Wahrnehmen, Verstehen und emotional Verarbeiten
braucht manchmal viel mehr Zeit, als wir es zugeben möchten.
Das helfende Schweigen – eine wortgebundene Kommunikation kann schnell in große Missverständnisse führen, sich regelrecht in ihnen verheddern, und jedes weitere Wort
schafft weitere Missverständnisse. Schweigen signalisiert hier die nötige Unterbrechung des Gesprächs, will die heilende Pause in einer Kommunikation. Dabei können schon wenige Sekunden helfen,
um aus der Flut der Worte in einen steuerbaren Strom zurückzugelangen. Allerdings braucht es bei dieser Form des Schweigens meistens die mimische und körpersprachliche Unterstützung.
Das freundliche Schweigen – will den Übergang von Worten zu weiteren atmosphärischen und verbindenden kommunikativen Signalen. Anders als das konstruktive
Schweigen, hat das freundliche Schweigen in Verbindung mit gutem Augenkontakt einen Aufforderungscharakter: “Du darfst mit mir auch in eine nicht nur wortgebundene Kommunikation gehen“, durch
Blicke, atmosphärische Kontaktaufnahmen etc.
Das destruktive Schweigen – Schweigen kann den Abbruch einer Beziehung und ihrer Kommunikationsstränge signalisieren. “Ich rede nicht mehr mit dir“ heißt, es gibt
keinen Weg mehr zwischen uns, wir haben uns verloren. Wenn überhaupt, nutze ich Worte nur noch, um weitere Grenzen und “Abbruchsverhandlungen“ zu thematisieren.
Das bedrohlich-destruktive Schweigen – gibt die Kommunikation auf, um den Übergang zu Ausübungen von Macht, bis hin zur Vernichtung der anderen Person, sei es auf
psychischer, sei es auch auf physischer Ebene, zu signalisieren. Die Botschaft lautet: “Jedes Wort würde dir noch eine Chance geben. Aber du hast keine mehr.“ Komponisten und Schriftsteller zu
Zeiten Stalins wussten, wenn von Stalin kein Anruf mehr kam, waren ihre Tage gezählt. Das besonders Perfide an ihrer Situation war, dass sie natürlich weiter auf ein Kommunikations-angebot der
›Macht‹ hofften, hofften dass das Telefon klingeln würde, und somit nicht ihr Heil in der Flucht suchten (oder das zu spät versuchten). Hier findet man eine grausame Variante des Schweigens, weil
es mit der verzweifelten Hoffnung auf eine Wiederkehr der Kommunikation verbunden ist. Stalin ist ein extremes Beispiel. Aber dergleichen zerstörerische Kommunikation dürfte es in vielen
Team-Situationen geben, wo ein Mitglied des Teams gemobbt wird, und inständig auf eine Veränderung der Situation hofft. Aber genau dieses Hoffen wird von den anderen benutzt, um weitere
Zerstörung auf den Betroffenen auszuüben.
Das wissende Schweigen – Nutzer dieses Schweigens wissen, dass sie in einer Situation möglicherweise zu wenig wissen, um etwas beitragen zu können.
“Einfach mal die Klappe halten“ ist hier das Motto. Eine in unserer Zeit auch zu wenig angewendete Strategie. Jeder will überall mitreden, und seine wortgebundene Duftmarke absetzen. Das
Internet hat diesen Trend leider noch verstärkt.
Das mitwissende Schweigen – jemand schweigt, um einen Dritten zu schützen, nicht zu verraten oder zu decken. Dieses loyale Schweigen ist eine Form des
sozialen Zusammenhalts, auch wenn es oft unschöne Folgen für Außenstehende hat.
Das höfliche Schweigen – jemand sagt lieber nichts, weil die Gefahr, in “Fettnäpfchen zu treten“ zu groß wäre oder auch ein sozialer Rangunterschied das so
erfordert oder zu erfordern scheint.
Das manipulative Schweigen – hier handelt es sich um eine subtile Form der Machtausübung auf der psychisch-interpersonellen Ebene. Beispiel: Jemand gibt keine
Antwort und lächelt nur ironisch oder “wissend“. Jemand schweigt in einer Email-Kommunikation, um den anderen zappeln zu lassen. Jemand nutzt ein Abhängigkeitsverhältniss (z.B. Chef –
Angestellter), um durch sein Schweigen genau auf diese Abhängigkeit anzuspielen: ich habe es nicht nötig, dir zu antworten.
Das ängstlich-unsichere Schweigen – jemand hat Angst vor den Folgen einer Aussage, und zieht es vor, aus der Kommunikation auszusteigen. Oder jemand weiß nicht
genau, was er sagen soll oder kann, und zieht es vor, abzuwarten, erstmal zu schweigen.
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